Das neue Buch zur Ausstellung von Alexander Braun
Der Western war das langlebigste und umfangreichste Genre der Populärkultur im 20. Jahrhundert: im Groschenroman, auf der Kinoleinwand, im Fernsehen und nicht zuletzt im Comic. Auch wenn dieser Stern seit den letzten Jahrzehnten im Sinken begriffen ist, totzukriegen sind Erzählungen von der »Eroberung« des Westens Nordamerikas noch lange nicht. Die Neowestern-Serie Yellowstone mit Kevin Costner etwa erzielte 2020 die höchste Einschaltquote aller U.S.-Kabelkanäle. Und auch Lucky Luke reitet noch nach 77 Jahren erfolgreich von einem neuen Abenteuer zum nächsten.
Welche Bedeutung man dieser Mythenbildung heute beimessen will, hängt vom Standpunkt ab. Die einen bewundern die übermenschliche Willensstärke der Pioniere, sich gegen alle Widerstände behauptet zu haben, die anderen empfinden den Preis, der zu zahlen war, als zu hoch: Ausbeutung der Natur und Völkermord an den indigenen Gemeinschaften. Auch der Comic spiegelt diese Ambivalenz wider: hier die immergleichen Klischees, dort eine kritische Bestandsaufnahme, hier abenteuerlustiger Eskapismus, dort ein düsterer Abgesang auf die abgründige Natur des Menschen. So war der Western auch immer eine Projektionsfläche für Wunschvorstellungen und Erwartungen: Karl May etwa ließ Winnetou, den »edlen Wilden«, noch schnell auf seinem Totenbett zum Christentum konvertieren. Und von seinen Gefährten wünschte sich der Häuptling der Apachen, sie mögen für ihn ein Ave Maria anstimmen. Rolf Kauka hat das 1963 für Fix und Foxi als Comic in Szene setzen lassen.
Nicht unbedingt zu erwarten ist dagegen die hohe Zahl von Comic-Produktionen, die sich verblüffend früh und bemerkenswert authentisch mit der Kultur der Indigenen auseinandersetzten: zu einer Zeit, als in Hollywood noch skalpiert wurde. Der Comic ist immer für die eine oder andere Überraschung gut!