Der 1946 in Valence geborene Franzose Jacques Tardi zählt seit mehr als zwei Jahrzehnten zu den bedeutendsten Comicmachern der Gegenwart. Mit den surreal-fiebrigen Abenteuern der im Paris der Belle Epoque lebenden Kolportageschriftstellerin Adèle Blanc-Sec und den kongenialen Literaturadaptionen der Kriminalromane von Léo Malet (Nestor Burma) und Jean-Pierre Manchette lotet er die Grenzen des Comicmediums Album für Album neu aus. So entwickelte Tardi Anfang der 80er Jahre eine eigene Technik zur variablen Grauabtönung, die seinen atmosphärischen Schwarzweiß-Zeichnungen zusätzliche Tiefe und Raum verleihen und seine gemalten Bildgeschichten unverwechselbar machten. Diese lösten weltweit wahre Begeisterungsstürme aus, selbst in Leserkreisen, die mit der Comicliteratur bislang kaum vertraut waren. Wie sein deutscher Kollege Hendrik Dorgathen arbeitet Tardi mittlerweile äußerst erfolgreich als Buchgestalter und illustrierte beispielsweise mehrere Romane von Louis-Ferdinand Céline.Jacques Tardis Vorliebe gilt seit jeher den Kriminal- und Kolportageerzählungen, gleichzeitig verarbeitet er in seinen Bildgeschichten häufig die monströsen Weltkriegserlebnisse seines Großvaters, der als einfacher Soldat das Schützengrabengrauen von Verdun überlebte: zwischen den Linien, im Schutz einer verwesenden Leiche. Die Erzählungen des Großvaters, der den Horror zwar überlebte, aber nie überwinden konnte, prägten Jacques Tardi schon als Kind: 'Nachts trat ich in seinen Alptraum ein. Der völlig vergammelte Tote und Großvater, die Hände in dessen Bauch.' Krieg und Krimi, diese beiden Hauptthemen bilden auch die Eckpfeiler seiner jüngsten in Deutschland erschienenen, achtundsiebzigseitigen Bilderzählung 'den letzten beißen die hunde'.Grundlage des prima übersetzten und vom Berliner Cartoonisten OL vorzüglich geletterten Comicbandes ist ein Roman von Didier Daeninckx, der sich mit seinen national- und zeitkritischen Büchern in die erste Riege der französischen Kriminalschriftsteller geschrieben hat. Wie in vielen anderen Werken von Tardi ist der Held der 1920 spielenden, düsteren Bildgeschichte ein Mann, der seine traumatischen Kriegserfahrungen nicht bewältigen kann und an diesen schließlich zerbricht. Diesmal heißt er Eugène Varlot, und wieder einmal ist er ein Privatdetektiv, der sich mit jämmerlichen Bespitzelungen mühselig über Wasser hält. Sein Leben nimmt jedoch eine dramatische Wendung, als er vom hochdekorierten Kriegshelden Oberst Fantin den Auftrag erhält, in einer privaten Erpressungssache zu recherchieren. Varlot nimmt den Fall an, doch eh er sich recht versieht, ist er schon mittendrin im aussichtslosen Kampf zwischen Lüge und Wahrheit, Staat und Anarchie, persönlichem Nutzen und eigenem Gewissen. Ein Gefecht, das man eigentlich nur verlieren kann …All dies mag auf den ersten Blick zwar abgedroschen klingen, doch gute Genre-Literatur will Grenzen nicht überschreiten, sondern mit diesen spielen. Dies gelingt Tardi und Daeninckx in der moralischen Bildgeschichte 'den letzten beißen die hunde' tadellos. Die leseintensive und stellenweise durchaus sperrige Erzählung fesselt von der ersten bis zur letzten Seite und läßt sogar vergessen, daß Tardi diesmal auf seine phänomenale Grau-Technik verzichtete.
Autor/Zeichner:
Jacques Tardi / Tardi, Didier Daeninckx
Format:
Album (Hardcover)